Samstag, 5. September 2015

Ein Monat Chile - das ging echt ratz fatz ;)

Heute vor vier Wochen, also vor einem Monat, sind wir in Los Angeles angekommen. Die Zeit kommt mir wahnsinnig kurz vor, doch wenn man so darüber nachdenkt ist schon echt viel passiert und auch wenn man es gar nicht so bewusst merkt, spielt sich vieles immer besser ein...
Ich weiß zwar immer nicht genau, wer diesen Blog hier (überhaupt) liest (vielleicht schreib ich ihn auch nur für mich selber ;D ) , aber ich hab mir gedacht, ich könnte einfach mal kurz meinen Alltag hier beschreiben, also eine ganz normalen Arbeitstag hier in Chile. Für alle die das interessiert: Ihr dürft jetzt weiterlesen :)

Morgens fühle ich mich immer direkt an meine Schulzeit erinnert...Das, für mich, frühe Aufstehen (7.20 Uhr) macht mir wirklich schwer zu schaffen, vor allem jetzt in den ersten Wochen war es hart, da es draußen morgens um die 4 Grad hatte, und ich dann wirklich sehr ungerne mein warmes Bett verlasse. Irgendwie schafft man es ja dann aber doch immer, ich ziehe mir drei Pullis über und stapfe ins Bad. Wenn wir dann die Wohnung verlassen, bin ich doch immer froh aufgestanden zu sein, denn in letzter Zeit laufen wir jeden Morgen bei wunderschönem Sonnenaufgang, der eine echt schöne Stimmung in den Straßen Los Angeles' verbreitet, zu einer der Tías, die uns netterweise jeden Morgen mit in die Schule nimmt. Die Autofahrt zur Schule dauert etwa eine viertel Stunde und läuft immer folgender Weise ab. Wir drei hocken noch etwas verschlafen drinnen, aus Gewohnheit versuch ich jedes Mal mich anzuschnallen, um dann fest zu stellen, dass der Gurt ja nicht funktioniert, ich kann es mir aber nach einem Monat immer noch nicht merken... Doch Tía Paola meint, das wäre in Chile überhaupt kein Problem, hier fährt man nämlich auch gerne mal zu siebt in einem Auto, dass nur fünf Plätze hat, das ist ganz normal! Die Tía scheint jedenfalls nicht ganz so verschlafen wie wir zu sein, denn sie redet immer ziemlich viel in dieser 15 - minütigen Autofahrt, was an sich nicht schlecht ist, doch Spanisch am Morgen in dieser Geschwindigkeit zu verstehen, ist noch schwerer, als es eh schon ist. Wir antworten immer freundlich mit "Si", dann auch mal mit "No" und zwischendurch mit "oooh" und "aaah" und danach fragen wir uns oft, was sie uns jetzt eigentlich sagen wollte :D Doch anbei soll vermerkt sein, dass wir schon viel mehr verstehen als am Anfang, doch sprechen ist immer noch wahnsinnig schwer und wenn die Chilenen untereinander reden, also nicht auf uns achten, kommt es einem eh vor wie Chinesisch. Wir reden uns jedoch jeden Tag gut zu, dass es irgendwann ja doch jeder schafft, Spanisch zu lernen. Die Tatsache, dass ich immer noch nicht wirklich sprechen kann, ist übrigens das, was mich am meisten stört und am meisten an meinem Ego kratzt. Ich bin es gewohnt, bzw. wir alle sind es gewohnt, einfach das zu sagen was man gerade sagen will, ohne es vorher 100 Mal überdenken zu müssen und es im Endeffekt dann doch zu lassen, weil die Hälfte der Wörter, die man braucht, schlicht und einfach nicht vorhanden sind. Oder einfach mal so nebenbei einen Witz zu machen, wäre auch toll :D Das schlimmste ist, wenn jemand etwas zu dir sagt, und man es nach dem dritten Mal wiederholen immer noch nicht verstanden hat, sich dabei unglaublich dumm vorkommt und dann einfach nur mit „Si“ antwortet, in der Hoffnung, dass es eine Ja/ Nein – Frage war (meistens ist dies natürlich dann nicht der Fall...) Doch in diesem Punkt muss ich einfach lernen Geduld mit mir zu haben, trotzdem freue ich mich jetzt schon auf den Tag an dem ich mich wie ein normaler Mensch mit anderen unterhalten kann.
Nach diesem kleinen Exkurs, zurück zu meinem Alltag in der Schule.
Wenn wir im Colegio ankommen, ist meistens noch nicht viel los. Die „Kinder“ (so nennen wir irgendwie immer alle, obwohl eigentlich auch viele Erwachsene da sind) kommen erst zwischen 9 und 10 Uhr. Die Tías verbringen diese Zeit meist damit, vor dem Ofen herum zu stehen, sich aufzuwärmen und sich über dies und jenes auszutauschen. Wenn ich meinen Gruppenraum betrete werde ich immer mit einem unglaublich überschwänglichen und freundlichen „Holaaaaa Carlottaa (gelegentlich auch Carlottita, so nennt mich mein Chef) como estas?“ begrüßt. Die Frage, wie es einem geht hört man gefühlte hundert Mal am Tag und es wird auch nicht wirklich eine Antwort darauf erwartet, ist halt eher so ne' Art Floskel. Nach dem dann die Kinder so langsam eingetrudelt sind, geht es los. Alle kommen in ziemlich überfüllten Busen aus verschiedenen Städten, da sitzen dann halt auch mehrere auf dem Schoß des anderen, wie gesagt, man sieht das hier nicht so eng.
Ich bin Montags, Mittwochs und Freitags bei den kleinen „Retos Multiples“, also den schwer-, mehrfachbehinderten Kindern, die zwischen sieben und elf Jahre alt sind. Die anderen zwei Tage bin ich im „Pre basico“, also in einer Gruppe mit noch kleineren, ich glaube so zwischen 4 und 7 Jahren. Die Kinder in dieser Gruppe sind nicht so schwer-, mehrfachbehindert wie die in der anderen Gruppe, deshalb geht es dort umso lauter zu. Bei den Retos Multiples sind oft viele krank, das heißt nicht selten kommt es vor, dass dann eben nur vier oder fünf Kinder da sind, deshalb ist die Gruppe eher ruhig. Inzwischen habe ich die Kinder beider Gruppen schon echt lieb gewonnen, obwohl mir die Arbeit am Anfang sehr schwer fiel, weil ich nicht so recht wusste, wo ich helfen kann und wo meine Aufgaben liegen. Das wird aber von Tag zu Tag besser und mittlerweile gefällt es mir sehr gut. Das Ziel des Colegios liegt auch nicht darin, mit den Kindern Unterricht zu machen und sie die ganze Zeit zu beschäftigten, sondern einfach mit ihnen Zeit zu verbringen, ihnen Aufmerksamkeit zu schenken, eine gewisse Routine an den Tag zu legen und vor allem ihnen zu zeigen, dass sie auch viel wert sind, genauso wie alle anderen , trotz der Behinderung. Die meisten kommen nämlich aus sehr armen Verhältnissen und bei vielen kümmern sich die Eltern auch nicht so, wie sie es bräuchten.
Was genau wir dann in de verschiedene Gruppen machen ist ein bisschen schwer zu beschreiben, da dies sehr stark davon abhängt welche Kinder da sind, da die Behinderungen sehr unterschiedlich sind. Im Moment basteln wir vor allem ganz viel und schmücken alles in rot, weiß und blau, also in den chilenischen Nationalfarben, da der 18. September, der chilenische Nationalfeiertag ansteht und somit die ganze Woche gefeiert wird :)
Zwischen drei und vier Uhr werden dann wieder alle abgeholt und dann werden die „salas“ geputzt und aufgeräumt und dann ist für uns auch Feierabend.
Am Freitag hatte wir ein Fußballspiel, da es eine Frauenfußballmannschaft des Colegios gibt, die vom Chef Carlos „trainiert“ wird :D Wir drei sind jetzt auch, mehr oder weniger freiwillig, Teil dieser Mannschaft. Als wir den Zettel unterschrieben haben, dachten wir eher es geht um „ab und zu ein bisschen kicken in der Schule“ nach Feierabend... Anscheinend ist es aber dann doch ein bisschen professioneller, unser Chef und gleichzeitig auch Trainer hat uns nämlich gleich Schienbeinschoner und Fußballsocken gekauft und das offizielle Trikot der Mannschaft „Sternenkinder“ haben wir auch erhalte. Das Fußballspiel am Freitag war dann gegen den Supermarkt „Lider“, anscheinend hat hier jeder Supermarkt und jede Schule eine Mannschaft, was wir ziemlich ungewöhnlich, aber auch ziemlich cool fanden. Auf jeden Fall hatten wir unseren Spaß und haben natürlich gewonnen, daran waren aber nicht wirklich wir drei groß beteiligt, aber dabei sein ist halt dann doch alles ;)